Hypermobilitätssyndrom HSD/HMS

Bei einem Hypermoblitätssyndrom (HSD) handelt es sich um eine Erkrankung des Bindegewebes. Da das Bindegewebe die Muskeln und Organe im ganzen Körper umgibt, kann ein geschwächtes Gewebe eine Vielzahl an Symptomen verursachen. Die Anzahl und die Stärke der Symptome beim Hypermoblitätssyndrom variert bei Betroffenen stark. Neben diversen Störungen der Organe, ist möglicherweise die körperliche Belastbarkeit und die Lebensqualität stark eingeschränkt. Betroffene leiden oft an erheblichen muskuloskelettalen Problemen, die im schlimmsten Fall zur Invalidität führen können. Das Hypermobilitätssyndrom ist eine erblich bedingte Störung des Bindegewebes und eine Multisystemerkrankung, über die noch wenig bekannt ist. Bis heute gibt es keine einheitliche Behandlung oder Heilung. Die gezielte Schulung von Patienten sowie regelmässiges Training können aber zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität führen.

Unterschied HSD/HMS (Hypermobility Spectrum Disorder) und hEDS (hypermobility Ehlers-Danlos-Syndrom)

Die verschiedenen Begriffe zu diesem Thema können schnell zu Verwirrung führen. Seit 2017 gibt es die offizielle Begriffsunterscheidung von HSD (Hypermobility Spectrum Disorder) und des hEDS (hypermobility Ehlers-Danlos-Syndrom). Beides sind Bindegewebserkrankungen, welche ähnliche oder gleiche Symptome haben. Bei beiden Erkrankungen ist nicht klar was die genaue Ursache ist. Im Gegensatz zu den anderen 12 Subtypen des Ehlers-Danlos-Syndrom, wo der jeweilige Gendefekt eruiert ist, weiss man bei hESD und HSD nicht, ob und um welchen Gendefekt es sich handelt. Um ein hEDS zu diagnostizieren, liegen seit 2017 aber genauere Diagnosekriterien vor. Beim generalisierten Hypermobilitätssyndrom (HSD) werden die ausgearbeiteten Kriterien für ein hEDS nicht komplett erfüllt. Ein Hypermobilitätssyndrom (HSD) wird also gestellt, wenn eine gesteigerte Gelenkshypermobilität zu relevanten Beschwerden und Einschränkungen führt, welche die Kriterien der verschiedenen EDS-Typen aber nicht erfüllen. Eine genetische Disposition scheint auch beim HSD vorhanden, da sich gehäuft Fälle von Hypermobilität in Familien/Verwandtschaften finden. Weitere bekannte Bindegewebserkrankungen mit einhergehender Hypermobilität sind das Marfan-Syndrom und Loeys-Dietz-Syndrom.

Manche Experten sind überzeugt, dass HSD und hEDS im wesentlichen das gleiche ist und verschiedene Ausprägungen des Spektums darstellen. Andere Experten hingegen gehen von verschiedenen Ursachen von HSD und hEDS aus. Gerade für Menschen mit einem Hypermobilitätssysndrom mag es frustrierend sein, dass man diese Störung noch nicht genau benennen kann. Das könnte sich in Zukunft ändern: Derzeit wird in der Genetik viel geforscht, und auch bei hEDS und HSD arbeitet ein internationales Konsortium an der Forschung der Syndrome. Hier (Gedanken/NEWS zu HSD) findest du jeweils die neusten Forschungsergebnisse. Seit September 2024 liegt eine neue spannende Studie vor.

Zurzeit sind die Prinzipien und die Behandlungsansätze dieser beiden Syndrome gleich. Sollten Sie ein diagnostiziertes hypermobility-Ehlers-Danlos-Syndrom haben, empfiehlt sich die folgende Seite: http://ehlers-danlosnetzschweiz.blogspot.com

Häufigkeit / Ursache Hypermobilitätssyndrom

Eine Überbeweglichkeit der Gelenke und des Stützapparates verursachen bei weitem nicht in jedem Fall Probleme. Tatsächlich aber führt sie bei vielen Betroffenen von leichten bis zu erheblichen Komplikationen. Das Syndrom ist erst wenig erforscht, weshalb das Wissen bei Therapeuten und Ärzten noch sehr klein ist. In der Folge wissen auch Betroffene selbst meist sehr wenig darüber. Sie wissen lange nicht was ihre diversen Symptome verursachen. Oft vergehen Jahre oder gar Jahrzehnte, bis eine Diagnose gestellt wird. Das führt dazu, dass die geschätzten Zahlen von Betroffenen eines Hypermobilitätssyndroms (HSD) weit auseinandergehen.

Das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS) scheint beispielsweise sehr rar zu sein. Forschende haben die Ergebnisse von drei Studien zum Hypermobilitätssyndrom (HSD) ausgewertet. Sie schätzten, dass eine von 600 bis 900 Personen betroffen ist (Hakim & Grahame, 2006; Cederlöf et al., 2016; Demmler et al., 2019). 2021 schrieben Forschende im „Americal Journal of Medical Genetics“, dass sie aber von weit höherer Häufigkeit ausgehen als bisher angenommen. In der Schweiz findet man bis heute praktisch keine Informationen über das Krankheitssyndrom HSD, im angelsächsischen Raum gibt es weitaus mehr verfügbare Daten. Anders sieht es bei der Diagnose eines spezifischen Hypermobilitätssyndrom aus: Beispielsweise gibt es in der Schweiz Anlaufstellen für Betroffene des Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS).

Die Ursache, welche die Bindegewebsschwäche auslöst, ist beim Hypermobilitätssyndrom noch nicht bekannt. Aufgrund einer Störung im Bindegewebe kann sich das stabilisierende Bindegewebe nicht richtig entwickeln und weist eine entsprechende Schwäche auf. Normalerweise limitieren die Bänder das Bewegungsausmass eines Gelenkes. Bei einer hypermobilen Person können die Bänder aufgrund der Bindegewebsschwäche ihre stablilisierende und bewegungslimitierende Aufgabe nicht mehr voll erfüllen. Durch die mangelnde Stabilisation des Gelenkes, müssen die Muskeln diese Stabilisation übernehmen. So kann es zu Fehlbelastungen und Überlastung kommen, was wiederum zu Mikrotraumata auf muskulärer, kapsulärer oder Knorpelebene führt. (nach R. Keer et al.,2003) Je wiederkehrender dies passiert, umso mehr kommt es zu muskuloskeletalen und faszialen Schmerzen. Es kommt zu Rigorkomplexen und Faszienverklebungen, was wiederum zu einem Myofaszialen Schmerzsyndrom führt.

Symptome des HSD

Da das Bindegewebe unseren ganzen Körper durchzieht, handelt es sich bei dem Hypermobilitätssyndrom um eine Multisystemerkrankung. Es beinhaltet neben der Überbeweglichkeit der Gelenke und des Bindegewebes eine Vielzahl an Symptomen, die verschieden und stark ausgeprägt sein können. Siehe untenstehende Abbildung.

  • Überbeweglichkeit der Gelenke
    • wenig Stabilisation im Körper
    • wiederkehrende Gelenks-Verstauchung oder Ausrenkung (Luxation/Subluxation)
    • Gelenksschmerzen, Muskelschmerzen,
    • Funktionseinschränkungen der Gelenke, Gelenksschäden wie z.B. Knorpelriss         
    • Schäden und Verletzungen des Bindegewebes (Sehnen, Bänder)
    • Wiederkehrende, anhaltende und/oder chronische Schmerzen
    • Beschwerden an Nerven (z.B. Verrutschen, Einengungen, Quetschungen)
    • Gleichgewichtsstörungen, Koordinationsstörungen  (Proprioception)
  • Gastro-intestinale Störungen
    • Verstopfung (häufig)
    • Durchfall
    • Unverträglichkeiten wegen z.B. einer Dünndarmfehlbesiedlung
    • Reizdarm
    • Schmerzen im Bauch
    • Nausea
    • Aufstossen
    • Erbrechen
    • Hernien (Eingeweidebruch)
  • Urogenitale Störungen
    • Inkontinenz, überaktive Blase, auch nachts
    • Schmerzen im Beckenbereich
  • Posturales Tachykardie-Syndrom (POTS)
    • Schwindel
    • Ohnmacht
  • Neigung zu Blutergüssen und Blutungen
  • Schlechte Wundheilung
    • Papierähnliche Narbenbildung
  • Dehnbare oder sehr weiche Haut
  • Augenprobleme
    • Katarakte
    • Netzhautablösung
  • Chronische Müdigkeit und Erschöpfung (CF)
  • Angstzustände und Depression
    • Als Folge der chronischen Erkrankung
  • Schlafstörungen
    • Als Folge von chronischen Schmerzen

Das Spektrum des Hypermobilitätssyndroms:

Zwei Personen mit HSD können ganz verschiedene Ausprägungen an Symptomen haben:

Beispiel 1 einer Symptomverteilung
Fiktives Beispiel
Beispiel 2 einer Symptomverteilung
Fiktives Beispiel

Diagnostik

Bis es zu einer Diagnose kommt, vergehen laut weltweiten Erfahrungsberichten von Betroffen mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte. Das liegt einerseits am Wissensmangel über HDS (auch über hEDS) bei Ärzten und Therapeuten. Andererseits gibt es aufgrund der Vielzahl der Symptome auch eine hohe Anzahl an möglichen Diagnosen, welche ernsthaft abgeklärt werden müssen. Eine weitere Schwierigkeit zur Diagnosenstellung ist, dass die Symptome meist nicht alle miteinander auftreten und in ihrer Häufigkeit, im Schweregrad und in ihrer Vielzahl über Jahre sehr unterschiedlich auftreten können. Die Diagnosestellung ist ein Ausschlussverfahren, da sie nicht mittels Laborwerte, MRI oder genetische Test ermittelt werden kann. Die Diagnose wird anhand einer detaillierten Anamnese (Aufnahme von Symptomen der letzten Jahre, Familienanamnese) und der körperlichen Untersuchung gestellt. Letzteres beinhaltet zwingend die sogenannten Beighton-Kriterien (siehe untenstehende Abbildung). Es ist wichtig, dass auch andere Hypermobilitätssyndrome wie etwa das Marfan-Syndrom, das Loeys-Dietz Syndrom und Ehlers-Danlos Syndorm (hEDS) ausgeschlossen werden können.

Selbst wenn keine Symptome auftreten sollten, ist es sinnvoll, eine sogenannte asymptomatische Hypermobilität zu diagnostizieren. Auf diesem Weg kann proaktiv gehandelt werden und bei anderen auftretenden Symptomen angemessen reagiert werden. Wenn Betroffene zu einem späteren Zeitpunkt Symptome entwickeln und von Beginn an entsprechende Beratung und Unterstützung erhalten, verbessert esdie Chance auf eine erhebliche Minderung der Symptome bis hin zum Status einer asymptomatischen Hypermobilität.


Beighton Score

Das Beighton Scoring System
Beighton Score

Erfolgt die Untersuchung durch den Beighton Score, muss beachtet werden, dass sie nur eine kleine Anzahl an Gelenken testet und damit auch nur eine Bewegungseben. Eine Hüft–Hypermobilität ist z.B. recht oft vorhanden und kann eine enorme Instabilität des Körpers hervorrufen.

Wenn du wissen möchtest, wie du mit dem Hypermoblitätssyndrom umgehen kannst und was dir helfen könnte, dann siehe hier.